Ein Mysterium namens COOP-Depositenkasse

 

In rund zwei Dutzend größeren Warenhäusern von COOP in der Schweiz findet man eine kleine Abteilung, die ein wenig an eine Bank erinnert, aber letzten Endes keine solche ist.

Bankomaten zum Geldbeziehen gibt es keine, die Leute stehen stattdessen an einem Schalter an und zahlen Geld ein oder wollen welches beziehen. An einem Aushang sind auch entsprechende Zinssätze für das "Depositenkonto" und "Kassenobligationen" zu finden. Den meisten Leuten aber wird dieses Institut wohl vor allem bekannt sein, weil es wirklich unschlagbar günstige Konditionen zum Geldwechseln bietet. Die Konsumentenzeitschrift K-Tipp hatte dies anno 2011 groß bekanntgemacht.

Oft wird die COOP-Depositenkasse, so nennt sich diese Einrichtung übrigens, mit der Bank COOP verwechselt; jedoch sind das zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.

Die Bank COOP ist eine vollwertige Bank, hat also eine Banklizenz der eidgenössischen Bankenaufsicht - der FINMA - und unterliegt dem Bankengesetz; sie darf also ganz normal Spar-Gelder entgegennehmen, welche im Gesetzestext als Publikumseinlagen bezeichnet werden.

Ursprünglich war sie als Genossenschaftliche Zentralbank von COOP und dem Gewerkschaftsbund gegründet worden. COOP hatte damals auch noch einen anderen Namen und hieß Konsumverein.

Heute jedoch ist COOP an dieser Bank nur noch mit knapp 10% beteiligt, der Gewerkschaftsbund mit 1,4%; ein Löwenanteil von knapp 57% dagegen gehört der Basler Kantonalbank, die auf diese Weise auch außerhalb ihres Heimatkantons und mit einem bekannten Namen auf Kundenfang gehen kann. Nur deshalb hat man den alten Namen in geänderter Weise beibehalten wollen - und dürfen.

Die COOP-Depositenkasse hingegen ist zunächst eine COOP-interne Betriebssparkasse; nach außen darf sie offiziell nicht so auftreten, denn der Begriff Spar- ist durch das Bankengesetz geschützt, wie bereits erwähnt. Solche Betriebssparkassen stehen grundsätzlich nur Unternehmensangestellten offen. Durch einen Passus im Gesetz ist es aber möglich, dass auch Mitglieder einer Genossenschaft bei einer solchen Betriebssparkasse Zutritt bekommen, auch wenn sie nicht bei der Genossenschaft angestellt sind.

Und COOP ist eine Genossenschaft; und Mitglied kann jeder werden. Dazu beantragt man einfach eine Supercard bei COOP, mit der man beim Einkauf in allen Geschäften der COOP-Gruppe "Superpunkte" sammeln kann. Die Karte fungiert sozusagen als Genossenschaftsausweis. Über 2 Millionen Schweizer sind im Besitz einer Supercard und damit Mitglieder bei COOP. Und auch Ausländer können selbstverständlich Mitglied bei COOP werden. Kosten tut das übrigens nichts.

Und ein Konto bei der Depositenkasse zu haben, kann sich lohnen. Im Gegensatz zu allen Banken werden auf den Kontostand derzeit (24.Oktober 2012) unschlagbare 1,0% Zins geboten. Gewöhnliche Sparkonten der üblichen schweizer Banken zahlen deutlich weniger Zinsen, meist noch in Verbindung mit irgendwelchen Mindestvorgaben oder Spesen. Die Kontoführung der Depositenkasse hingegen ist mit keinerlei Kosten, Spesen oder was auch immer verbunden. Einziger Nachteil: ans Geld kommt man nur an den Schaltern der Depositenkasse, deren Öffnungszeiten sich nach denjenigen der Warenhäuser richten. Und in der Nordwestschweiz beispielsweise gibt es derzeit nur einen einzigen Standort: in Basel in der Freien Strasse. Das ist je nach Wohnort mit einem längeren Anfahrtsweg und eventuell auch mal mit längeren Wartezeiten verbunden.

Eröffnet man nun ein Depositenkonto bei dieser Einrichtung und zahlt Geld ein, erfüllt dies an sich den Tatbestand, es mit einer Bank zu tun zu haben. Denn nur Banken sind laut Bankengesetz Artikel 1 Absatz 2 berechtigt, Publikumseinlagen gewerbsmäßig entgegenzunehmen. Die Bankenverordnung schreibt sogar genau vor, ab wann von gewerbsmäßigem Handeln die Rede ist: wer dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennimmt (Artikel 3a Absatz 2 Bankenverordnung, handelt gewerbsmäßig.

Aber, das Bankengesetz gestattet dem Bundesrat - also der schweizerischen Bundesregierung - Ausnahmen festzulegen, wenn der Einlegerschutz gewährleistet ist. Und: die Auflage von Anleihen gilt nicht als gewerbsmäßige Entgegennahme von Publikumseinlagen. Ausnahmen, die der Bundesrat in der Bankenverordnung vorsieht, finden sich dort im Artikel 3a Absatz 4. Und da heißt es unter Buchstabe d, dass Einlagen bei Vereinen, Stiftungen und Genossenschaften, welche nicht im Finanzbereich tätig sind, einen ideellen Zweck oder die gemeinsame Selbsthilfe verfolgen und die Einlagen ausschließlich für diese Zwecke verwenden werden, keine Publikumseinlagen sind.

Ich schlüssele das mal etwas auf.

Diese bundesrätliche Ausnahme ermöglicht es COOP, sehr günstig an Fremdkapital zu kommen und trotzdem den Geldgebern noch vorzügliche Konditionen zu bieten. Einziger Vermutstropfen: da die Depositenkasse nicht dem Bankengesetz untersteht, besteht auch kein gesetzlicher Einlegerschutz. Die Sicherheit der Einlagen steht und fällt mit dem Unternehmen COOP.

Das ist auch ein Grund, warum COOP bessere Zinsen bieten muss, nicht nur aufs Depositenkonto sondern auch auf Kassenobligationen, also verbriefte Anleihen, die jedoch nicht an der Börse gehandelt werden können. Banken hingegen müssen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit vorsorgen, indem sie jedem Kunden die Sicherheit bieten, im Fall des Falles bis zu 100'000 Franken auszahlen zu können. Diese Sicherheit wird in erster Linie über einen Fonds der Bankiervereinigung gewährleistet, dem praktisch alle schweizer Banken angeschlossen, übrigens auch der Ableger der isländischen Kaupthing Bank in Genf war dieser Vereinigung angeschlossen. Als diese Bank im Oktober 2008 zahlungsunfähig wurde, erhielten die Kunden der schweizerischen Kaupthing ihr Geld innerhalb von vier Wochen zurück, im Gegensatz zu Kunden der deutschen Kaupthing-Niederlassung in Frankfurt am Main, welche länger als ein Jahr auf ihr Geld warten mussten.

Über eines aber sollte man sich im Klaren sein: der Fonds der Bankiervereinigung ist auf 6 Milliarden Franken begrenzt. Dass dies beim Fall einer größeren Bank viel zu wenig wäre, ist klar. Nicht ohne Grund war der Bundesrat im Krisenherbst 2008 mit Milliardenbürgschaften eingesprungen, als die UBS vor dem Zusammenbruch stand. Und die Schweizerische Nationalbank übernahm Wertpapiere im Wert von 38 Milliarden Franken, welche für die UBS nicht mehr veräusserbar waren zu jener Zeit. Von dieser Summe stehen derzeit immer noch rund 8 Milliarden Franken in Form eines Darlehens an den Stabilisierungsfonds in der Bilanz der Nationalbank. Um zu verhindern, dass Bundesrat und Nationalbank nochmals in diesem Masse einspringen müssen, sollen nun grosse Banken grob ausgedrückt mindestens 19% des Risikokapitals in der Bilanzsumme als Eigenkapital aufweisen, die Hälfte davon als "hartes Kapital" in Form von Gewinnrücklagen oder Einlagekapital der Aktionäre.

In der Vergangenheit betrug dieses harte Eigenkapital oft weniger als 5%. Nur so waren Renditen von bis zu 30% aufs Eigenkapital bei so mancher Bank erst möglich. Die Bank COOP beispielsweise fällt als kleinere Bank nicht unter diese Vorgabe, hat aber im Jahre 2010 nur gerade mal 6,0% Eigenkapital an der Bilanzsumme ausgewiesen. Das harte Eigenkapital an risikogewichteten Positionen lag immerhin bei 12,0%.

Zum Vergleich: die nicht abgesicherte COOP Depositenkasse stützt sich auf das finanzielle Rückgrat der COOP-Gruppe, und die wies für das Jahr 2010 einen Eigenkapitalanteil von 43% aus. Ein sogenanntes hartes Eigenkapital muss COOP freilich nicht ausweisen; dieses ist aber vor allem in Sachwerte wie Gründstücke und Gebäude investiert. Gewinne müssen nicht an Anteilseigner ausgezahlt werden. Kommt noch als Besonderheit hinzu, dass COOP per Ende 2010 über flüssige Mittel verfügte, welche die Summe der Einlagen auf den Depositenkonten sogar noch überstieg. Das war 2009 nicht der Fall.

Ein jeder kann nun selber für sich entscheiden, ob das Fehlen von privilegierten Kundeneinladen bei der COOP-Depositenkasse soviel unsicherer ist als eine Einlage bei einer normalen Bank. Und wohl keiner will derzeit behaupten, dass Fehlentscheide auf Vorstandsebene bei den Kreditinstituten allgemein seltener vorkämen als in den restlichen Wirtschaftsbranchen.

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